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»3+1« Fragen an Edith Schreiber-Wicke

A. V.: Sie sind bekannt als Kinder- und Jugendbuchautorin. Wie unterscheidet sich diese Arbeit von der an Ihrem neuen Roman?

S.-W.: Hans Weigel hat mich in den ersten Schreibjahren ermutigt und gefördert. Er sah mich eher als Lyrikerin, eventuell als Autorin satirischer Texte. Er warnte davor, als Kinderbuchautor nachlässig zu werden. Ich glaube, ich wurde nicht nachlässig. Ich spüre in Bezug auf die Intensität, mit dem ich mich einem Thema nähere und in der Art, wie ich es umsetze, keinen Unterschied ob meine Leser nun vier Jahre alt sind oder vierzig.

»Im Schatten deiner Flügel« ist eine Geschichte, in der ich jahrelang gelebt habe. Sie hat mich verändert und damit auch meine Art zu erzählen. Das ist vielleicht der größte Unterschied zu jedem bisher geschriebenen Text.


A. V.: Ihr Roman beleuchtet das wenig bekannte Thema der Deportationen aus dem venezianischen Ghetto. Wie verlief Ihre Recherche dazu? 

S.-W.: Was zunächst einfach Interesse an einem Detail der venezianischen Geschichte war, wurde schnell intensiver. In einem Interview mit Riccardo Calimani, dessen Familie zu einem großen Teil im Rahmen der Deportationen ermordet wurde, wunderte ich mich darüber, wie wenig über diesen Herbst und Winter 1943/44 bekannt war. Er lächelte und sagte: „È una storia ancora da scrivere“.

Ich nahm es als Auftrag. Als ich dann das Glück hatte, Aldo Izzo kennenzulernen, der die Zeit der Deportationen in einem Versteck überlebt hat, war ich in der Lage, mich nicht auf meine Phanatsie verlassen zu müssen, sondern einen Zeitzeugen befragen zu können, der über ein phantastisches Gedächtnis verfügt.


A. V.: Wie ist die Idee zum Roman entstanden?

S.-W.: Ich sah die Gedenktafel mit den Namen der Deportierten im jüdischen Ghetto, wollte mehr darüber erfahren und fand wenig. Manche Bücher, die man lesen möchte, muss man selbst schreiben.


A. V.: Wo schreiben Sie lieber, in Wien oder in Venedig?

S.-W.: »Im Schatten deiner Flügel« ist zur Gänze in Venedig entstanden, für diese Geschichte brauchte ich die Atmosphäre rund um mich, die Nähe zu den Orten der Handlung, die Sprache.

© foto helgruen