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Drei Fragen an Georg Hamann

A. V.: In »100 x Österreich: Geschichte« vereinen Sie die größten Momente in Österreichs Geschichte. Wie wählt man aus, was auf 240 Seiten Platz findet und was nicht?

G. H.: Die Auswahl war tatsächlich nicht immer einfach, und ich musste die Liste der hundert Kapitel immer wieder überdenken und verändern. Manches, was ich eigentlich nur am Rande behandeln wollte, erschien mir während des Schreibens plötzlich so wichtig, dass ich ein eigenes Kapitel daraus machte, anderes hingegen verlor für mich im Lauf der Arbeit an Bedeutung und fand dann nur noch in wenigen Sätzen Erwähnung. Der ursprünglich vorgesehene zeitliche Rahmen blieb aber immer gleich: Von den Kelten bis zum EU-Beitritt. Was davor kam, überlasse ich den Fachleuten von der Ur- und Frühgeschichte, was danach kam, der Politikwissenschaft. Dass es während dieser 2000 Jahre gewisse Fixpunkte oder Meilensteine gab, die eine Art chronologisches »Skelett« bilden, ist selbstverständlich: Ohne auf das »privilegium minus« einzugehen, auf den Josefinismus, die 1848er-Revolution, den »Anschluss« oder den Staatsvertrag – um nur wenige Beispiele zu nennen –, kann man natürlich keine Geschichte Österreichs schreiben. Abseits der Schilderung der politischen Entwicklungen habe ich mich bemüht, auch die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte nicht zu vernachlässigen. Mit Musik- und Literaturgeschichte werden sich, so hoffe ich zumindest sehr, bald weitere Bände der »100 x Österreich«-Reihe beschäftigen.

 

A. V.: Was empfinden Sie als den spannendsten Moment oder wen als die bedeutendste Persönlichkeit in der Geschichte unseres Landes?

G. H.: Ein »Ranking« kann ich beim besten Willen nicht erstellen, aber natürlich gibt es Persönlichkeiten, denen ich mich stärker verbunden fühle als anderen. Von der Gefahr irgendeiner »Heldenverehrung« bin ich aber zum Glück weit entfernt. Zu den Phasen der österreichischen Geschichte, die ich persönlich als besonders spannend und interessant empfinde, zählt etwa die Zeit der Reformation und der Bauernkriege, dann natürlich – auch wenn das jetzt wenig originell klingt – der aufgeklärte Absolutismus Josefs II. und auch die Revolution von 1848. Aber letztlich lässt sich überall und zu allen Zeiten etwas finden, das einen fasziniert oder inspiriert.

 

A. V.: Welches Ereignis oder welches Thema der österreichischen Historie wird Ihrer Meinung nach zu wenig diskutiert?

G. H.: Ich denke, es gibt kaum etwas aus der österreichischen Geschichte, das so exotisch wäre, dass es nicht früher oder später wissenschaftlich bearbeitet würde. Ständig finden Historikerinnen und Historiker neue, bis dato wenig beachtete Aspekte zu scheinbar Altbekanntem, erschließen neue Quellen, eröffnen hochinteressante Debatten. Die Sache ist bloß: In der breiten Öffentlichkeit wird das oft nicht gebührend wahrgenommen. Aber die Gefahr, dass etwas ganz unter den Tisch fällt, sehe ich nicht.

© Thomas Neunteufel