Das »3+1«-Interview mit Daniela Angetter-Pfeiffer
A.V.: Wie kamen Sie auf die Idee, ein Buch über Pandemien zu schreiben?
D. A.-P.: Als ich bereits während meines Studiums begann, mich mit Seuchenbekämpfung, Quarantäne, Grenzkordons, Triage, Seuchenprävention und Impfstrategien zu befassen, ahnte ich nicht, dass dieses Thema Jahre später so hochaktuell wird. Aufgrund meiner Forschungen wurde ich in den letzten Monaten immer wieder als Expertin von diversen Medien zu historischen Entwicklungen und dem Umgang mit Seuchen befragt bzw. um Artikel, Interviews und Podcasts gebeten. Aufgrund des großen Interesses an der Seuchengeschichte entstand die Idee, die Thematiken dieser Anfragen in einem Buch zu veröffentlichen. Darüber hinaus bot das Buch die Möglichkeit, Pioniere der Seuchenbekämpfung wieder in Erinnerung zu rufen, wie etwa Ignaz Semmelweis, der für mich nicht nur der Retter der Mütter ist, sondern auch einen wichtigen Grundstein in der Bekämpfung der Krankenhauskeime, die heute noch ein Problem darstellen können, legte.
A.V.: Welche Parallelen finden sich zwischen vergangenen Pandemien und der aktuellen?
D. A.-P.: All die Maßnahmen, die wir in Zeiten von Corona erleben mussten, sind nicht neu. Quarantäne, Lockdowns und Social Distancing gibt es praktisch seit der Antike. Auch Handelsschließungen, die Schließung von Gaststätten, Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Amtsgebäuden, das Verbot von Events und Sportveranstaltungen sind nichts Neues genauso wie Schulen und Universitäten, die gesperrt wurden. Und man setzte auch in früheren Zeit auf Tests. Als die Tuberkulose in Wien in den 1920er-Jahren vehement grassierte, testete man mit Einverständnis der Eltern die Kinder in den Volksschulen und erkannte eine hohe Dunkelziffer an Erkrankten. Dies half in der Seuchenbekämpfung. Natürlich setzte man auch seit dem 19. Jahrhundert viel auf Impfungen. Die Diskussionen um Freiwilligkeit und Impfflicht waren damals schon aktuell und die Debatten darüber heftigst. Es gab zwar einige Bereiche, wo man geimpft sein musste, u. a. beim Militär oder wenn man um ein Stipendium ansuchte, letztlich gewann aber die Freiwilligkeit und man erhoffte sich mit Aufklärung und Motivation, die Menschen von der Sinnhaftigkeit der Impfung zu überzeugen.
A.V.: Ihr Buch trägt den Titel »Pandemie sei Dank!«. Wofür dürfen wir denn dankbar sein?
D. A.-P.: Pandemien haben immer viel Leid über die betroffene Bevölkerung gebracht und zu vielen schweren Schicksalsschlägen geführt. Aber gerade die negativen Erfahrungen bewirkten innovative Lösungen, die in der Seuchenbekämpfung nützlich waren. So forderte die Pest etwa erste moderne Stadthygienekonzepte für Wien aber auch das heutige Österreich, die Bekämpfung von Cholera und Typhus bewirkten den Bau der 1. Hochquellenwasserleitung, die Tuberkulose war ausschlaggebend für bessere Wohnverhältnisse und die Errichtungen von Tröpferlbädern und Kinderfreibädern. Die Spanische Grippe zeigte, dass Gesundheitskonzepte und Krisenmanagement ganz wichtig sind, woraus sich letztlich ein Gesundheitsdienst (MA 15) entwickelte. Bereits im 19. Jahrhundert setzte der Großteil der europäischen Länder gemeinsame Initiativen in der Bekämpfung von Pest oder Cholera. Auch die Konzepte für Impfungen oder die Bereitstellung von antiviralen Medikamenten, wie etwa bei der Schweinegrippe, waren wichtige Maßnahmen. Von solchen Entwicklungen, Initiativen und Erfahrungen können wir heute profitieren.
A.V.: Wie ging es Ihnen während des ersten Corona-Jahres? Mit welchen Herausforderungen hatten Sie zu kämpfen und was haben Sie trotzdem Positives erlebt?
D. A.-P.: Zugegebenermaßen hat mich die Information meines Arbeitgebers im März 2020, dass wir künftig im Homeoffice arbeiten müssen, zunächst wie ein Keulenschlag getroffen, und ich wollte es eigentlich nicht wahrhaben. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten mit der Einrichtung der technischen Notwendigkeiten zu Hause habe ich das Homeoffice zu schätzen gelernt, zumal die moderne Technik die Kommunikation mit KollegInnen, Forschungseinrichtungen und Archiven ermöglichte, sodass die wissenschaftliche Arbeit nicht darunter leiden musste. Auch die Möglichkeit, an Konferenzen im Ausland beispielsweise über Internet-Meetings teilzunehmen, bot einen großen Vorteil. Im „normalen“ beruflichen Alltagsleben wäre die persönliche Teilnahme aufgrund von Kosten oder der Zeitintensität nicht möglich gewesen. Was mir abging, war der persönliche Kontakt zu Freunden und Familie, aber auch die Möglichkeit, spontan essen oder ins Theater zu gehen. Es war einfach eine Umstellung, nun vermehrt auf Telekommunikation und Social Media zurückzugreifen. In meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Rettungssanitäterin beim Roten Kreuz war ich naturgemäß ständig mit Corona konfrontiert. Am Anfang war es schon immer ein mulmiges Gefühl, zu einem Patienten mit Verdacht auf Corona gerufen zu werden. Aber man lernt rasch den Umgang mit Schutzmaßnahmen. Besonders positiv fand ich die Welle der Hilfsbereitschaft. Viele Menschen stellten ihre Freizeit zur Verfügung, um für Erkrankte oder Personen aus der vulnerablen Gruppe beispielsweise Einkäufe oder Besorgungen zu erledigen oder Hunde auszuführen. So eine Solidarität sollte es auch außerhalb von Pandemiezeiten geben, denn es gibt Menschen, die kleine Hilfestellungen im Alltag benötigen.