Das »3+1«-Interview mit Reinhold Bilgeri
A. V.: Warum liegen etwa 15 Jahre zwischen dem Erscheinen Ihrer beiden Romane?
R. B.: Weil ich in der Zwischenzeit etliche Filmprojekte auf meiner Agenda hatte, die ich unbedingt verwirklichen wollte. Den Roman »Der Atem des Himmels« habe ich eigentlich geschrieben, um endlich ins Filmgenre einsteigen zu können. Dass das Buch wirklich ein Bestseller wurde, hat den Einstieg tatsächlich erleichtert. Es folgten dann glücklicherweise weitere Filmprojekte – »Alles Fleisch ist Gras«, »Erik & Erika«, »Das Tor zum Westen – Universum History«. Zwei Filme sind in Vorbereitung, die aber coronabedingt auf’s kommende Jahr verschoben werden mussten … Ich hatte also gar keine andere Wahl, als mich wieder auf’s Schreiben zu konzentrieren. Schon seit einiger Zeit schreibe ich an einem sehr umfangreichen Romanprojekt über die »Rattenlinien«, die Fluchtwege der Nazibonzen nach Südamerika. ABER: Die aktuellen Ereignisse in den USA, die Trump-Zeit, die Wahlen, die Pandemie haben mich zwischenzeitlich auf ein anderes Gelände gelockt, in dem hochaktuelle Geschichten herumlagen – ich musste sie nur aufheben und festnageln.
A. V.: Wie kamen Sie auf das Thema? Was hat Sie inspiriert?
R. B.: Inspiriert haben mich einerseits die Lockdown-Wochen in Österreich ganz allgemein (ich durfte ja auch keine Konzerte spielen) und andererseits die düstere Zeit, als New York plötzlich zum Epizentrum der Pandemie geworden war. Mir liegt Amerika schon seit vielen Jahrzehnten am Herzen, nicht nur seine grandiosen Landschaften, sondern auch die Kunst und Kulturszene, die Schriftsteller, die Philosophen, die Wissenschaftler, Architekten usw. Meine Tochter hat diese Affinität übrigens übernommen und lebte die letzten fünf Jahre in Los Angeles und seit einem Jahr nun in New York, wodurch sich auch meine US-Zeiten wieder intensivierten. Die Initialzündung für den Roman gab mir ein Ehepaar, ein Wiener und eine Amerikanerin, mit denen ich befreundet bin und die als richtige »New Yorker« sehr gelitten haben unter der grässlichen Trump-Zeit, deren Auswüchse durch die Pandemie erst richtig virulent wurden. Ursprünglich wollte ich eine Shortstory über den Lockdown einer Stadt schreiben, die niemals schläft, und über die Auswirkung dieser umfassenden Stille auf die Szenen einer Ehe. Ich hab mich dann aber so verbissen in die Sache, dass es am Ende doch ein Roman wurde.
A. V.: Wie viel in dem Buch ist Fiktion, wie viel autobiografisch?
R. B.: Etliche Szenen sind tatsächlich so oder so ähnlich passiert. Vor allem diese spezifische Atmosphäre New Yorks im Schock der Stille. Die Gegend um Chelsea in Manhattan kenne ich recht gut – ich liebe die Stadt und ihren Sound. Außerdem wurde ich während des New Yorker Lockdowns täglich via Facetime von meiner Tochter und dem besagten Ehepaar mit den aktuellsten Bildern und Nachrichten versorgt. Es war also höchst inspirierend, in den authentischen Rahmen der Figuren, der mir zur Verfügung stand, eine teils fiktive Liebes- und Leidensgeschichte einzubetten, die natürlich auch bis zu einem gewissen Grad autobiografische Züge hat.
A. V.: Was möchten Sie zum Buch noch unbedingt loswerden, was bisher noch nicht gesagt wurde?
R. B.: Ich wollte beschreiben was ein, von einem gefährlichen Feind oktroyierter, Stillstand mit den Menschen, mit der Liebe, mit einem Land, mit der Welt anrichten kann, wobei mir der gewaltige Riss, der Amerika in zwei unversöhnliche Hälften teilt, ein großes emotionales Anliegen war. Die Geschichte ist Liebeserklärung und Abrechnung zugleich, eine Roller-Coaster-Fahrt eines Wieners und einer Amerikanerin, die zwischen den Hürden ihrer Prägungen und Vorgeschichten um ihren Platz und ihre Ehe kämpfen.