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Das »3+1«-Interview mit Zdenka Becker

A. V.: Ihr Briefroman basiert auf einer wahren Geschichte. Wer oder was hat Sie inspiriert?

Z. B.: Vor einigen Jahren, als mein Schwiegervater starb, fanden wir auf dem Dachboden unseres Hauses Kisten mit alten Briefen, Dokumenten und Fotos. Mein Mann hat das Material gesichtet, eingescant und zu Büchern binden lassen. Und als ich dann die Briefe gelesen habe, sah ich sofort, dass sich darin eine sehr interessante Familiengeschichte verbirgt. Ein großer Teil der Handlung des Romans spielt in unserem Haus, in dem ich seit 40 Jahren lebe. Eine bessere Inspiration gibt es nicht.


A. V.: Wie gestaltet sich Ihr Schreibprozess? Wissen Sie bereits am Anfang, wie das Buch enden wird, oder entsteht der Verlauf der Geschichte erst während des Schreibens?

Z. B.:Wenn ich eine Idee habe, weiß ich sofort, wie die Geschichte weitergeht und wie sie endet. Zumindest glaube ich es zu wissen. Und dann beginnen die Figuren zu leben und machen, was sie wollen. Und ich folge ihnen. Wenn das Buch fertig ist und ich mir den ursprünglichen Plot ansehe, wundere ich mich oft selbst, was für eine Entwicklung die Geschichte genommen hat. Das ist das Aufregende am Schreiben.


A. V.: In Ihrem Roman findet sich sehr viel Historie. Wie haben Sie recherchiert, um die damalige Zeit authentisch abzubilden?

Z. B.:Das Spannendste an dieser Geschichte war die Sache mit Mosbach (Anmerkung: Hier befand sich von 1944 bis 1945 das KZ Neckarelz, wo zu Spitzenzeiten 10.000 Menschen, davon die Hälfte KZ-Häftlinge in einer unterirdischen Bomberflugzeugmotorenfabrik arbeiteten.) Das habe ich nicht gewusst, dass ab dem Jahr 1944 die Kriegsproduktion in unterirdische Stollen verlegt worden ist. Und vor allem, dass mein Schwiegervater daran beteiligt war. So habe ich begonnen, in Mosbach zu recherchieren, und kam nicht aus dem Staunen heraus. Anschließend fuhr ich nach Berlin und sah mir die Originalschauplätze an. Auch die Gespräche mit der Familie und die Recherche in diversen Archiven und im Internet waren sehr hilfreich.


A. V.: Wie viel von Ihnen selbst findet sich in den Figuren aus »Es ist schon fast halb zwölf«?

Z. B.:Wie gesagt, ich lebe in dem Haus und kenne, respektive kannte die Protagonisten. Trotzdem möchte ich betonen, dass die Geschichte keine Biografie von irgendjemandem ist. Diese Personen haben mich zu dem Roman, in dem vieles verändert und ausgedacht ist, inspiriert. Ich selbst bin nur die Erzählerin und komme in dem Roman nicht vor.

 

© Helmut Lackinger