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Das »3+1«-Interview mit Grischka Voss

A.V.: Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrem Vater?

G. V.: Mein Vater und ich waren einander sehr nah in vielerlei Hinsicht. Vor allem hatten wir denselben Sinn für Humor und haben wahnsinnig gerne zusammen gelacht. Oft über Dinge, die wahrscheinlich nur wir komisch fanden. Das fehlt mir sehr. Auch in künstlerischer Hinsicht hatten wir einen ähnlichen Geschmack und konnten uns gegenseitig immer wieder für Neues begeistern.


A.V.: 
Was hat Gert Voss dazu bewegt, Schauspieler zu werden, und was hat dazu geführt, dass Sie ebenfalls diesen Weg eingeschlagen haben?

G. V.: Wie mein Vater in seinem Buch beschreibt, war sein ursprünglicher Wunsch, Regie zu führen. Schauspiel interessierte ihn zuerst nur, um als Regisseur die Schauspieler besser verstehen zu können. Dabei entdeckte er seine eigene Lust am Spielen. Ich wuchs im Theaterumfeld auf und war sehr früh geradezu besessen von Filmen, die ich nachspielte. Man könnte sagen, ich lebte als Kind sehr oft in einer fiktiven Welt, in der ich verschiedene Persönlichkeiten annahm und mit unsichtbaren Partnern agierte. Um nicht irgendwann eingewiesen zu werden, wurde ich Schauspielerin, aus reinem Selbstschutz.


A.V.: Wie empfanden Sie die Schauspielkarriere Ihres Vaters in Ihrer Kindheit und Jugend?

G. V.: Nachdem ich in der Schule als Theaterkind oft ausgegrenzt wurde, weil Theater als anrüchig galt, und auch nicht damit punkten konnte, dass mein Vater ein Film- oder Fernsehstar wäre, behauptete ich früher oft, mein Vater wäre Arzt. Erst in Wien wurde ich damit konfrontiert, dass mein Vater plötzlich berühmt war. Wenn mein Vater sich auf eine Rolle vorbereitete, eine Premiere oder eine Vorstellung spielte, lebte und zitterte ich mit. Es war mir unglaublich wichtig, dass er mit seinen Rollen Erfolg hatte. Wenn er sich alleine verbeugen durfte, wünschte ich mir von ganzem Herzen, dass er den meisten Applaus bekommen würde. Für meine Mutter war das genauso. Unser ganzer Alltag kreiste gewissermaßen um die jeweilige Rolle, die mein Vater spielte. Als junge Frau ging mir das dann furchtbar auf die Nerven und ich versuchte ständig, mich abzugrenzen und mir eine eigene Welt zu schaffen.


A.V.: 
Wären Sie gerne einmal gemeinsam mit Ihrem Vater auf der Bühne gestanden? Welche Rollen fallen Ihnen dazu ein?

G. V.: Ich bin tatsächlich zwei Mal mit meinem Vater auf der Bühne gestanden. Einmal ungewollt im »Jedermann«, weil ich damals glaubte, für ein Stück vorgesprochen zu haben mit dem Titel »Die Tischgesellschaft«, und einmal unter der Regie von George Tabori in »Die Ballade vom Wiener Schnitzel«. Es hat beide Male sehr viel Spaß gemacht. Durch meine Entscheidung, mein eigenes Theater zu machen, Stücke zu schreiben und selber zu spielen, war jedoch klar, dass sich unsere Wege künstlerisch nicht mehr kreuzen würden. Aber es wäre sicher schön gewesen, wenn wir einmal in einem Stück gespielt hätten, in dem wir viele Szenen zusammen gehabt hätten. Ich habe meinem Vater zu seinem 70. Geburtstag sogar ein Stück geschrieben. Allerdings ein Ein-Personen-Stück, das ich gerne mit ihm inszeniert hätte.

 

© Ernst Kainerstorfer